Bericht der Goslarschen Zeitung vom Donnerstag, 13.10.2022 von Hendrik Roß
„Der Schlüssel für Frieden liegt in Washington“
Ex-General und Merkel-Berater Dr. Erich Vad spricht beim Frankenberger Winterabend über die Ukraine und kritisiert deutsche Kriegsrhetorik
Goslar. Für Dr. Erich Vad gibt es nur einen Weg, um den Krieg in der Ukraine zu beenden: Die USA und Russland müssen am Verhandlungstisch einen Kompromiss finden. „Der Schlüssel für Frieden liegt in Washington“, sagt der Ex-Bundeswehrgeneral und langjährige militärische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel beim Frankenberger Winterabend in Goslar.
Vad ist, wie andere hochrangige Ex-Militärs, derzeit ein gefragter Gast in abendlichen Talkshows, wenn es um die Ukraine geht. Er kritisiert dort – wie auch am Dienstag in der Frankenberger Kirche – die „Kriegsrhetorik“, die manche Politiker an den Tag legen. Die Hilfe, die Deutschland der Ukraine leisten kann und soll, werde oft auf Waffenlieferungen reduziert – ein schwerer Fehler, wie Vad findet. Es sei schon fast komisch, dass er als Ex-General einen politischen Weg heraus aus der militärischen Eskalationslogik fordert und der Politik dazu erkennbar der Wille fehle. Das könne man durchaus als „Doppelmoral“ bezeichnen, denn trotz des zum Teil lauten Kriegsgetöses habe Deutschland gar keinen Sinn fürs Militärische, sondern sich die „Sicherheit immer aus den USA importiert“. Vad hatte kurz nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges am 24. Februar einen schnellen Sieg Russlands prophezeit und sich gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bezeichnete ihn später in einer seiner Twitter-Schimpftiraden als „erbärmlichen Loser“.
Vad bleibt auf Linie
Von seiner Linie weicht der 65-jährige Ex-General deshalb nicht ab, auch wenn er betont, dass die Ukrainer wirklich heroisch um ihr Land kämpfen und den Angriff Russlands als „eindeutigen Völkerrechtsbruch“ verurteilt. Aber: „Eine Nuklearmacht kann militärisch nicht besiegt werden.“ Putin werde sich niemals komplett aus der Ukraine zurückziehen, weil er dort „massive strategische Sicherheitsinteressen“ seines Landes bedroht sehe. Eine solche Niederlage wäre „das Ende Russlands als Weltmacht“.
Ein Ende des Kriegs könne nur mit „politischer Klugheit“ erreicht werden, sagt Vad und greift damit die Rede seiner Ex-Chefin Angela Merkel auf, die sie Ende September beim Festakt in der Goslarer Kaiserpfalz gehalten hat. Überhaupt lobt er das außenpolitische Gespür der Ex-Kanzlerin: Sie sei diejenige gewesen, die bereits 2008 die anderen Staatschefs davon überzeugt habe, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werden dürfe. Ohne Waffen und Geheimdienstinformationen aus dem Westen hätte die Ukraine aktuell gar keine Chance auf Verteidigung gehabt – auch Friedensverhandlungen müssten nun zwischen den USA und Russland ablaufen, fordert Vad. Es sei auch nicht richtig, dass Russland sich jedem Dialog verweigere. So habe die Türkei – der Nato-Staat mit der zweitgrößten Armee–mit Moskau ausgehandelt, dass die Ukraine wieder Getreide nach Afrika verschiffen kann.
Doch wie können Friedensverhandlungen aussehen, die alle Parteien akzeptieren? Vad brachte etwa autonome Gebiete in der Ost-Ukraine ins Spiel, vergleichbar mit dem Baskenland in Spanien. Man dürfe nicht ausklammern, dass diese Gebiete sehr russisch orientiert seien, während der Rest des Landes eher in Richtung Westeuropa blicke. Nach dem Angriffskrieg Russlands sei es nun richtig und wichtig, „dass der Westen sich schützt“ und etwa seine Kräfte an den Nato-Ostgrenzen verstärkt. Trotzdem müsse Diplomatie in der Ukraine wieder Vorrang bekommen. „Jede Lösung ist besser als das, was wir jetzt haben“, sagt Vad. Denn im Krieg sei nur eines sicher: Man wisse nie, was als Nächstes passiert.
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Bericht der Goslarschen Zeitung
Donnerstag 13.10.2022 von Hendrik Roß