Im Rahmen des Bundes-Förderprojektes „Sanierung und Aufwertung der Freiflächen der Kaiserpfalz“ wurden unter Leitung der städtischen Welterbe-Beauftragten, Dr. Christine Bauer, weitergehende Forschungen zu den archäologischen Befunden hinter der Kaiserpfalz durchgeführt. Dabei sind Archäologen auf bedeutende bauliche Strukturen gestoßen, die auf einen lange gesuchten Vorgängerbau der heutigen Kaiserpfalz hinweisen. Die Forschungsergebnisse, darunter Laboranalysen von Mörtelproben unter der Leitung von Prof. Dr. Robert Sobott (Naumburg), lassen darauf schließen, dass es sich dabei um einen königlichen Hof aus dem späten 10. Jahrhundert handelt. Die Stadt Goslar plant, die neuen Funde im Rahmen des Tages der Städtebauförderung am 10. Mai der Öffentlichkeit vorzustellen. Die detaillierten wissenschaftlichen Ergebnisse ergeben sich aus der beigefügten Anlage.
Anlage:
Vermutlich frühmittelalterlicher Königshof in Goslar am Liebfrauenberg
Ergebnis der jüngsten Forschungen und Grabungen an der Goslarer Kaiserpfalz
Die noch erhaltene, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts umfassend restaurierte Kaiserpfalz am Liebfrauenberg in Goslar wurde zwischen 1045 und 1050 durch Kaiser Heinrich III. errichtet. Sie ist zentraler Bestandteil des UNESCO-Welterbes „Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft“ und zeugt von der wirtschaftlichen sowie politischen Bedeutung Goslars ab der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts. Allerdings deuten die schriftlichen Quellen der Stadt darauf hin, dass auch schon vor dieser Zeit Könige und Kaiser in Goslar weilten und Amtshandlungen durchführten. Lange wurde eine Diskussion darüber geführt, wo sich dieser in den Quellen bzw. Chroniken als Königshof bezeichnete Ort befunden haben könnte. Die fachlichen Meinungen schwankten zwischen dem Vorhandensein einer Vorgängerbebauung an der jetzigen Stelle der Kaiserpfalz und dem nördlich der Altstadt befindlichen Georgenberg, wo sich archäologische Reste einer an den Aachener Kaiserdom erinnernden Kirche befinden.
Schon im Rahmen der Restaurierung der Kaiserpfalz am Liebfrauenberg wurden im Jahr 1868 archäologische Grabungen im Umfeld der Pfalz durchgeführt. Dabei entdeckte man hinter der südlich des Kaiserhauses angebauten Ulrichskapelle Grundmauern, die als Reste eines jüngeren kaiserlichen Wohnpalastes des 12. Jahrhunderts interpretiert wurden und entsprechend dem damaligen Zeitgeschmack im Pfalzgarten inszeniert wurden. In den frühen 1980er Jahren führte das Landesamt für Denkmalpflege unter Leitung von Hartmut Rötting erneut Grabungen in diesem Bereich durch. Ein wesentliches Ergebnis dieser Grabung war die Annahme, dass es drei Bauphasen gegeben haben könnte. Neu war damals die Annahme des Vorhandenseins eines „Ottonischen Wohnturms“ des 10. Jahrhunderts, gefolgt von einem Ersatzbau des 11. Jahrhunderts, an den ein weiterer Wohnbau im 12. Jahrhundert angebaut wurde.
Im Rahmen des Bundes-Förderprojektes „Sanierung und Aufwertung der Freiflächen der Kaiserpfalz“ wurden nun unter Leitung der städtischen Welterbe-Beauftragten, Dr. Christine Bauer, weitergehende Forschungen zu den archäologischen Befunden hinter dem Kaiserhaus durchgeführt. Ein Ziel des Projektes ist, die archäologischen Denkmäler im Pfalzgarten baulich korrekt darzustellen und künftig dem Besucher zu erläutern.
Die Stadt beauftragte das Büro AAB-Berlin zunächst damit, die Berichte und Zeichnungen der Altgrabungen auszuwerten. Hieraus erwuchs die Notwendigkeiten von gezielten Nachgrabungen, um zu zuverlässigen Aussagen zu kommen. Im Frühjahr 2024 wurden die Sondierungsgrabungen von der Archäologin Jana Nolle (AAB-Berlin) durchgeführt und anschließend von Olivier Joumarin (AAB-Berlin) bauhistorisch ausgewertet. Die Grabungen wurden durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (Dr. Markus C. Blaich) fachlich begleitet.
Es ist der Grabungsleiterin Jana Nolle zu verdanken, dass bei diesen Grabungen wesentliche neue Erkenntnisse zu Tage traten. Die gezielten Nachgrabungen, verbunden mit Laboranalysen von Mörtelproben von Prof. Dr. Robert Sobott (Naumburg), geben Anlass zu Annahme, dass es sich bei den baulichen Strukturen hinter der Kaiserpfalz um den lange gesuchten Vorgängerbau der heute noch vorhandenen Kaiserpfalz handelt.
Die aktuellen Forschungen gehen von einem ursprünglich zusammenhängenden, winkelförmigen Baukörper des späten 10. Jahrhunderts aus. Die ältesten Mauern bestehen aus Kalksteinen, die ohne seitliche Baugrube direkt in eine Lehmbettung gesetzt wurden, was als ein Hinweis auf die Bauzeit im 10. Jahrhundert gewertet wird. Dies zeigte sich zunächst an einer freigelegten Fundamentmauer im nördlichen Bereich der Grabungsfläche unterhalb des 1182 nachträglich an das frühmittelalterliche Pfalzgebäude angebauten südlichen Torhauses. Auffallend war, dass sich diese Mauertechnik an der Südseite im Winkel zu den im 19. Jahrhundert rekonstruierten Grundmauern des sog. Jüngeren Wohnpalastes, der allg. in das 12. Jahrhundert datiert wird, wiederholt. Sogar die chemische Zusammensetzung des Mauermörtels stimmte an beiden Stellen im Detail überein.
Im Gegensatz zu früheren Grabungen wurden an dieser Stelle die neuen Grabungsflächen nun tiefer angelegt. Dabei zeigte sich eine deutliche Eckverbindung in den Grundmauern des nördlichen Baukörpers und des vermeintlich später angebauten südlichen „Wohnpalastes“. Deshalb ist davon auszugehen, dass es sich ursprünglich um ein winkelförmiges Gebäude mit wohl zwei saalartigen Raumstrukturen handelte. Dieses Gebäude war bereits vor der Errichtung des Torhauses und der Ulrichskapelle im späten 12. Jahrhundert vorhanden. Mit den Umbauarbeiten um 1180 wurde auch der aus dem späten 10. Jahrhundert stammende Winkelbau verändert und über den alten Grundmauern neu aufgeführt. So entstand im Zusammenhang mit dem Torhausbau ein sich südlich anschließender Saalbau, an den sich der räumlich gegliederte jüngere Wohnpalast mit den privaten Gemächern Friedrich Barbarossas anschloss.
Insgesamt legt dieses Ergebnis nahe, dass es um 1000 n.Chr. in Goslar an Stelle der heute noch vorhandenen Kaiserpfalz bereits Gebäude eines wohl königlichen Hofes gab. Die Dicke der gefundenen Mauern, das Steinmaterial und die Mauertechnik sprechen für einen repräsentativen Bau, vergleichbar mit Gebäuden der Kaiserpfalz im niedersächsischen Grona bei Göttingen, die aus der Zeit Kaiser Heinrichs II. stammen. Der während früherer Grabungen vermutete ottonische Wohnturm konnte bei den aktuellen Grabungen nicht bestätigt werden. Vielmehr handelt es sich bei den damals dokumentierten Mauerbefunden innerhalb des sog. Nördlichen Saalbaus wohl um jüngere Zwischenwände der Nachfolgebauten, so die Archäologen.
Es ist davon auszugehen, dass im Laufe der Sanierungsarbeiten im Umfeld der Kaiserpfalz noch mit weiteren bauarchäologischen Überraschungen gerechnet werden kann. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass sich die über Jahrzehnte geführte Diskussion, wo sich der in den Urkunden erwähnte frühmittelalterliche Goslarer Königshof befunden haben könnte, wieder in Richtung des jetzigen Pfalzstandortes orientieren muss. Dies wird in den anstehenden Arbeiten zur Aufwertung der Umgebung der Kaiserpfalz Berücksichtigung finden.
Die Stadt Goslar plant zum Tag der Städtebauförderung am 10. Mai 2025 in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege eine Vortragsveranstaltung zu den archäologischen Befunden im Umfeld der Kaiserpfalz. Hierbei sollen die aktuellen Ergebnisse im Detail dargelegt und zugleich in einem größeren bauhistorischen Kontext erläutert werden.