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Beratungsfolge

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Mitteilung:

Aufgrund des Beschlusses des Rates vom 25.04.2023 ist die Stadt Goslar der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beigetreten. Die Initiative, der sich mittlerweile über 1050 weitere Städte angeschlossen haben, hat das Ziel, die Einrichtung von Tempo 30 leichter als bisher vornehmen zu können. Es soll Kommunen erleichtert werden, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Geschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten. Weitere Informationen sind unter www.lebenswerte-staedte.de zu finden.

 

Gleichzeitig hat die Verwaltung die Entscheidung getroffen, sich an der Europäischen Mobilitätswoche, kurz EMW, zu beteiligen. Die EMW ist eine seit 2002 jährlich stattfindende Initiative der Europäischen Kommission für nachhaltige Mobilität in Städten. Dabei sind Kommunen aufgerufen, sich eine Woche dem Thema nachhaltige Mobilität zu widmen. 

 

Die Bahnhofstraße in Oker ist gemäß des Lärmaktionsplans der Stadt Goslar (https://www.goslar.de/stadt-buerger/wohnen-bauen/laermaktionsplan ) eine der am höchsten belasteten Straßen sowohl hinsichtlich der Anzahl der Fahrzeuge, als auch hinsichtlich des davon ausgehenden Lärms. Im Lärmaktionsplan sind Vorschläge zum Einbau von lärmminderndem Asphalt und zu der Einführung von Tempo 30 gemacht worden. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sind Ausweichverkehre in andere Straßen ausgeschlossen, so dass eine Verlagerung der Belastungen in andere Straßen ausgeschlossen ist. Es entstand die Idee, den Vorschlägen aus dem Lärmaktionsplan für einen begrenzten Zeitraum zu folgen.

 

Mit Beginn der Mobilitätswoche im September 2023 wurde daher in der Ortsdurchfahrt Oker, zwischen Bahnhof und Kirchhofstraße sowie Am Hüttenberg, die Höchstgeschwindigkeit aus Gründen des Lärmschutzes probeweise für sechs Monate auf 30 Km/h reduziert. Weitere Straßen die eingebunden wurden, sind Stadtstieg, Große Horst, Teile der Hüttenstraße, Reichenstraße und der Harzburger Straße. Die Maßnahme wurde durch Lärmmessungen und statistische Geschwindigkeitsmessungen begleitet.

 

Ziel der probeweisen Anordnung von Tempo 30 sollte die Beantwortung der Fragen sein, ob eine Reduzierung der Geschwindigkeit dazu beiträgt, eine subjektive und objektive Wohnumfeldverbesserung für die Bewohnenden zu erreichen, sowie die Beantwortung der Frage nach der Akzeptanz einer solchen Maßnahme in der Bevölkerung im Allgemeinen. Bereits zu Beginn der Maßnahme wurde kommuniziert, dass nach Ablauf von sechs Monaten entschieden werden soll, ob die Anordnung bestehen bleibt, die Strecke verringert oder insgesamt aufgehoben wird.

 

Befragung der Bevölkerung

Im Vorfeld wurden an rund 450 Haushalte Informationen zu der geplanten Maßnahme verteilt, mittels scannen eines QR-Codes konnten im Portal „OpenRathaus“ Fragen zu der Lärmbelastung und der verkehrlichen Situation barrierefrei über das eigene Smartphone beantwortet werden. 66 Personen nutzten die Gelegenheit und beantworteten die Fragen.
68 % der Teilnehmenden gaben an, dass eine störende hohe Lärmbelästigung vorhanden sei. 32 % stellten zu diesem Zeitpunkt keine Lärmbelästigung fest. Immerhin 18 % werteten die nächtliche Lärmbelastung mit 8 bis 10 auf einer Scala von 1 bis 10. 33 % gaben dabei auch das Vorhandensein von gesundheitlichen Beeinträchtigungen an. Die genannten Lärmquellen verteilten sich weitgehend gleich auf Motorradfahrende, PKW- und Schwerlastverkehr. 71 % der Teilnehmenden unterstützten im Vorfeld die Geschwindigkeitsreduzierung.

 

Im März wurde der Personenkreis erneut gebeten, Fragen zu beantworten. Die Rücklaufquote lag nun bei 142 Teilnehmenden und hat sich somit mehr als verdoppelt. 60 % der Teilnehmenden fühlen sich aktuell weniger bzw. nach wie vor nicht durch den Lärm belästigt. Jeweils 1/3 der Teilnehmenden bewerten die aktuelle Situation nun als lauter, gleich laut und leiser als vor der Einführung von Tempo 30 Km/h. Die Unterstützung der Temporeduzierung liegt nur noch bei 42 %, im Gegensatz dazu lag diese zu Beginn bei 71 %. Auch die Belästigung zur Nachtzeit empfinden heute nur noch 13 % als störend. Deutlich ist die Aussage zur Akzeptanz der Reduzierung. Die Maßnahme wird mittlerweile von 58 % der Teilnehmenden abgelehnt. 57 % der Teilnehmenden bemerken eine Verschlechterung im Verkehrsfluss, während bei 74 % der Eindruck herrscht, dass sich fast niemand an die zulässige Geschwindigkeit hält.

 

Die offene Frage bzw. bei der Möglichkeit der Abgabe von Anregungen und Kritik wurden unterschiedliche Aussagen getroffen. Einige gehen von einer aktuell höheren Umweltbelastung aus, für die Kameraden der Ortswehr Oker ist die Anfahrt zum Feuerwehrhaus schwierig geworden und dauert zu lange, der Lärmpegel der Fahrzeugmenge ist ausschlaggebend, auch der Lärm vom Bahnhof und der Bahnstrecke ist belastender als der Fahrzeugverkehr. Einige wünschen sich mobile oder stationäre Geschwindigkeitskontrollen, andere die zeitlich begrenzte Temporeduzierung zwischen 22.00 und 06.00 Uhr.  

 

Geschwindigkeitsmessungen

Es wurden statistische Geschwindigkeitsmessungen an drei Standorten, Höhe Talstraße 18 sowie Bahnhofstraße 27 und Höhe Bauernholz, durchgeführt. Die maßgebliche V85 (Geschwindigkeit die die ersten 85 % der Verkehrsteilnehmenden erreichen) hat sich von durchschnittlich 53 Km/h vor Einrichtung 30 Km/h auf 49 Km/h während der bestehenden Begrenzung reduziert. Beide Werte sind für eine innerörtliche Bundesstraße nicht ungewöhnliche Werte und zeigen, dass die Akzeptanz von 30 Km/h in der Bevölkerung an einer gut ausgebauten Ortsdurchfahrt nicht vorhanden ist.    

 

rmmessungen

In Zusammenarbeit mit der EHMV UG (haftungsbeschränkt) und dem MachMitHaus wurden Lärmmessungen in Höhe Bahnhofstraße 19 durchgeführt. Auch hier konnte festgestellt werden, dass sich die Werte im Messzeitraum zwischen Dezember 2023 bis März 2024 nicht verändert oder verbessert haben. Der Leq ((Äquivalenter kontinuierlicher Schallpegel) ist eine entscheidende Messgröße in Akustik- und Lärmstudien und stellt den durchschnittlichen Schallpegel über einen bestimmten Zeitraum dar) liegt im Erhebungszeitraum wechselnd zwischen 51 und 63 dB(A). Dies bestätigen sowohl die Geschwindigkeitsmessergebnisse als auch die subjektive Wahrnehmung der Bevölkerung.

 

Unfallgeschehen

Vorab sei erwähnt, dass der Erfassungszeitraum für eine Betrachtung der Unfallentwicklung als zu kurz gesehen wird, dennoch soll diese nicht unerwähnt bleiben. Weiterhin ist zu erwähnen, dass es sich lediglich um gemeldete Unfälle handelt. Zwischen Januar und August 2023 ereigneten sich 12 Unfälle, von September bis Dezember 2023 ereigneten sich 5 Unfälle, von Januar bis Mitte März 2024 ereigneten sich 2 Unfälle. Alle Unfälle sind als leichte, nicht geschwindigkeitsbedingte Unfälle zu werten. In einem Fall wurde eine zweiradfahrende Person leichtverletzt dem Krankenhaus zugeführt. Ein Unfall geschah alkoholbedingt.  

 

Träger öffentlicher Belange

Aus Sicht der Träger öffentlicher Belange, genannt seien hier die Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, die Polizei Goslar sowie die Stadtbus GmbH führte der Modellversuch nicht zu Einschränkungen im Verkehrsfluss. Allerdings sind auch keine Verbesserungen erkennbar geworden. Die Ortswehr Oker lehnt aus bereits o. g. Gründen die Temporeduzierung ab.

 

Fazit
Das Ergebnis der Befragung der Bevölkerung zeigt, dass keine subjektive Wohnumfeldverbesserung herbeigeführt werden konnte. Eine breite Unterstützung der Temporeduzierung liegt nicht mehr vor und findet auch keine Beachtung. Ohne die Einrichtung von Messtellen, die regelmäßig bedient werden müssten, lässt sich eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Km/h auf gut ausgebauten Ortsdurchfahrten nicht darstellen. Regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen können jedoch aufgrund der unterschiedlichen Unfalltypen und -zahlen nicht gerechtfertigt werden.

 

Die fehlende Unterstützung der Temporeduzierung wird anhand der Messergebnisse deutlich und geht einher mit den Ergebnissen aus der Lärmmessung.

 

Die geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen werden daher mit Beendigung der Probephase zum 31.03.2024 zurückgebaut.

 

Ausblick

Nach einer -bisher nicht terminierten- Sanierung der Fahrbahndecke und des Kreisverkehrsplatzes Bahnhofstraße/Harzburger Straße soll erneut geprüft werden, ob eine ggf. zeitlich beschränkte Temporeduzierung zwischen Stadtstieg und Harzburger Straße erforderlich ist.

 

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